Die Lehrende Astronomie

written by


« Reload image

Dank sei dem Schoepfer, der mein Haupt
Auf hohe feste Schultern baute,
Und mir die Pracht zu sehn erlaubt,
Die nie ein haengend Tieraug schaute!
Hier lern ich mich und ihn erkennen,
Und hier mich nichts, ihn alles nennen.
Was bin ich? Ich bin gross genung,
Bin ich ein Punkt der Welt zu nennen.
Mein Wissen ist Verwunderung;
Mein Leben leichter Blitze Brennen.
Und so ein Nichts, verblendte Toren,
Soll sein zum Herrn der Welt geboren?

Der Stolz, der Torheit Eigentum,
Verkennt, zu eignem Trost, sich gerne;
Die Demut ist des Weisen Ruhm,
Und die lernt er bei euch, ihr Sterne!
Und wird nur gross, weil er euch kennet,
Und euern Gott auch seinen nennet.

Auch wenn sein Unglueck ihn den Weg,
Den harten Weg der Pruefung fuehret,
Und wenn, auf dem einsamen Steg,
Sich Lieb und Freund von ihm verlieret,
Lernt er bei euch, durch suesse Grillen,
Oft allzuwahre Schmerzen stillen.

O Tugend! reizend Hirngedicht,
Erdachte Zierde unsrer Seelen!
Die Welt, o Tugend, hat dich nicht:
Doch wirst du auch den Sternen fehlen?
Nein, starbst du gleich bei uns im Abel,
Du selbst bist viel zu schoen zur Fabel.

Dort seh ich, mit erstauntem Blick,
Ein glaenzend Heer von neuen Welten;
Getrost, vielleicht wird dort das Glueck
So viel nicht, als die Tugend, gelten.
Vielleicht dort in Orions Grenzen
Wird, frei vom Wahn, die Wahrheit glaenzen!

"Das Uebel", schreit der Aberwitz,
"Hat unter uns sein Reich gewonnen."
Wohl gut, doch ist des Guten Sitz
In ungezaehlten groessern Sonnen.
Der Dinge Reihen zu erfuellen,
Schuf jenes Gott mit Widerwillen.

So, wie den Kenner der Natur
Auch Quarz und Eisenstein vergnuegen,
Nicht Gold- und Silberstufen nur
In Faechern, voller Luecken, liegen:
So hat das Uebel Gott erlesen
Der Welt zur Fuellung, nicht zum Wesen.

O nahe dich, erwuenschte Zeit,
Wo ich, frei von der Last der Erde,
In wachsender Glueckseligkeit,
Einst bessre Welten sehen werde!
O Zeit, wo mich entbundne Schwingen
Von einem Stern zum andern bringen!

Gedanken! fliehet nur voran!
Verirrt euch in den weiten Sphaeren,
Bis ich euch selber folgen kann.
Wie lang, Geschick, wird es noch waehren!
O Lust, hier seh ich schon die Kreise,
Die Wege meiner ewgen Reise!

Drum kraenkt der blinde Damon sich
Nur in der Nacht um sein Gesichte.
Geruhig, Tag, vermisst er dich,
Und deine Eitelkeit im Lichte;
Und wuenscht sich, von der Weltlust ferne,
Ein fuehlend Aug nur fuer die Sterne.

O selge Zeit der stillen Nacht,
Wo Neid und Bosheit schlafend liegen,
Und nur ein frommes Auge wacht,
Und sucht am Himmel sein Vergnuegen!
Gott sieht die Welt in diesen Stunden,
Und spricht, ich hab sie gut gefunden!

© Gotthold Ephraim Lessing