Der Tausch an Hr. W.

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Ein Maegdchen, das Verstand und Geist
Gemeiner Schoenen Zahl entreisst,
Ein Maegdchen, das bei Buechern schwitzet,
Wenn Phyllis vor dem Spiegel sitzet,
Das ihrer Seelen Schoenheit bessert,
Wenn die die leibliche vergroessert,
Das gruendlich denkt und gruendlich scherzt,
Platonisch liebt, platonisch herzt:
Freund, so ein Maegdchen ist fuer dich,
Und nicht fuer mich.

Ein Maegdchen, dessen zaertlich Bild
Mit Zaertlichkeit die Herzen fuellt,
Ein Maegdchen mit beredten Blicken,
Mit Fuessen, die versteckt entzuecken,
Mit Haenden, die liebkosend schlagen,
Und drueckend, dich nur lieb ich, sagen,
Mit schwarzem Haar, mit voller Brust,
Gemacht zu dauerhafter Lust:
Freund, so ein Maegdchen ist fuer mich,
Und nicht fuer dich.

Das Glueck ist ungerecht und blind;
Wenn nicht die Dichter Luegner sind.
Wie oft hat es mit deinem Hoffen,
Wie oft mit meinem eingetroffen?
Wie wenn es, dich und mich zu kraenken,
Dir mein, und mir dein Kind wird schenken?
O Freund, was soll die Rache sein?
Der Tausch, o Freund, der Tausch allein.
Doch gibst du, geb ich meine dir,
Auch deine mir?

© Gotthold Ephraim Lessing