Das Schaeferleben

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Komm Freund! wir wollen Schaefer werden.
Dies stille Volk besitzet noch
Die suesse Ruh, das Glueck der Erden.
Was zauderst du? Komm Freund! komm doch!
Dort blueht bei aufgeraeumten Sinnen
Noch alte Treu und Redlichkeit,
Auch in den schoensten Schaeferinnen.
Dort, dort ist noch die gueldne Zeit.

Wird dir es schwer, die Stadt zu lassen,
Wo nichts als falsche Maegdchen sind?
Bedenke, Phyllis will mich hassen,
Das flatterhafte boese Kind.

Auch Phyllis kann die Treue brechen,
Und windet sich aus meiner Hand.
Ja, diese Falschheit muss ich raechen.
Komm mit! Ich geh ins Schaeferland.

Du schwaermst, mein Freund. Lass mich zufrieden.
Was geht mich deine Phyllis an.
Dem ist ein groesser Glueck beschieden,
Der sich gleich mir betrinken kann.

Wo hast du den Verstand gelassen?
Du hast gewiss noch keinen Rausch?
Den Wein, den Wein fuer Milch zu hassen?
Den Wein fuer Milch? Das waer ein Tausch.

Recht Freund! verzeih mir diese Possen.
Wie albern denkt und redt man nicht,
Wenn man noch keinen Wein genossen,
Wenn folglich der Verstand gebricht.

Drum eile, Freund! mir einzuschenken.
Trink mir es zu, und mach mich klug.
Nun lern ich wieder richtig denken.
Nun seh ich meinen Selbstbetrug.

O schade fuer die falschen Kinder!
Lasst sie nur unbestaendig sein.
Ich lache nun, und bins nicht minder.
Den Rat, den Rat gibt mir der Wein.

Nun soll mich Phyllis nicht betrueben,
Lasst sie nur unbestaendig sein,
Von nun an will ich auch so lieben.
Den Rat, den Rat gibt mir der Wein.

© Gotthold Ephraim Lessing